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Beerdigung und die Zeit danach (Erik)

Erik

Beerdigungen

Auf dem Frankenberger Friedhof suchten wir drei Familien eine Grabstelle für unsere Kinder aus. Ich stürzte auf dem Friedhof umher und glaubte immer, falsch zu sein und dort nicht hinzugehören. Wir fanden einen Platz, wo wir die Gräber in Form eines Y anordnen ließen.

Am 04.09.2008 und am 05.09.2008 trugen wir Eriks Freunde Alexander und Marcel zu Grabe. Ich glaube, ich stand am Rande des Wahnsinns. Es war nur noch mein Körper vorhanden, innerlich war Schutt und Asche.

Erik wurde am 12.09.2008, um 10.00 Uhr, beigesetzt. Es war eine Urnenbeisetzung. Ich wusste, dass meine Entscheidung in seinem Sinne war.
Die Bestatterin hielt eine Rede, die wir gemeinsam zusammengetragen haben. Eine Rede, die auf einen jungen Menschen zugeschnitten war. Wir ließen dazu „Air“ von J. S. Bach, La toyen (Instrumental) von Karat und abschließend das Largo von G. F. Händel einspielen.

Unter den Trauergästen war u.a. mein gesamtes Arbeitskollektiv, welche Erik größtenteils von klein auf kannten, seinen Weg mit verfolgten. Ich bin noch jetzt gerührt, dass so viele Leute meinem Kind die letzte Ehre erwiesen haben. Nicht zu vergessen Alexanders und Marcels Eltern und Geschwister.


Die Zeit danach

Eine knappe Woche nach Eriks Beerdigung ging ich wieder auf Arbeit. Ich wusste nicht, ob es falsch oder ob es richtig war, ob ich den Anforderungen auf Arbeit gerecht werden kann oder nicht – ich hatte eine Heidenangst vor dem 1. Arbeitstag. Angst hatte ich auch, wieder in mein Auto zu steigen. Schließlich hatte ich die letzte Fahrt mit Erik gemacht – und ihn an diesem 24.08.08 zum Zug gefahren. Jedoch war mir klar, ich musste handlungsfähig bleiben, selber wieder in die Gänge kommen, den Alltag bewältigen. Es war für mich unvorstellbar, mich krank schreiben zu lassen, denn zu Hause hätte ich pausenlos gegrübelt und wäre durchgedreht. Dann entwarf ich eine E-Mail an meine Arbeitskollegen, welche ich am 1. Arbeitstag an alle abschickte. Mit dem Inhalt wollte ich mir und meinen Kollegen das Aufeinanderzugehen leichter machen. Es hat auch funktioniert.

Ich weiß noch, dass die ersten Wochen nach Eriks Unfall mit Selbstvorwürfen gefüllt waren. Neben der Frage WARUM? kamen bei mir noch quälende Fragen auf, ob ich eine gute Mutter war, ob ich es hätte wissen müssen, ob ich es hätte verhindern können ... Bis hin, dass ich der Meinung war, dass mich mit dem Tod von Erik eine gerechte Strafe für was auch immer erreicht hatte. Meine Gedanken drehten sich im Kreis.

Eines nachts, als ich absolut nicht schlafen konnte und mich quälende Gedanken fast zur Verzweiflung brachten, wütete ich im Internet und stieß auf die Seite „Leben-ohne-Dich“. Das war ein Rettungsanker. Die nächste Zeit war ausgefüllt mit dem Lesen der so fürchterlichen Schicksale vieler Kinder. Diese Vielzahl verzweifelter Familien, die mit einem Mal verwaist waren ... denen ging es allen wie mir. Uns ist der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Wir müssen nun ein Leben beginnen, das so unvorstellbar ist ohne unsere Kinder ...
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Nun ist fast ein Jahr vergangen. Der 1. Nicolaus, das 1. Weihnachten, der 1. Jahreswechsel, das 1. Ostern, Eriks 1. Sternengeburtstag sowie die 1. Sternengeburtstage seiner Freunde Alexander und Marcel, der 1. Muttertag, der 1. Kindertag, die 1. Geburtstage von uns Eltern und Geschwistern. Und es ist nach wie vor unfassbar und unbegreiflich. Es ist für mich nach wie vor nicht vorstellbar, wie ich meine mir vielleicht noch gewährten 30 oder 40 Jahre ohne Erik leben soll?! Es fehlt ein großer Baustein in meinem Lebens-Gebäude. Wird die große Lücke das Lebens-Gebäude zusammenbrechen lassen, oder wird das wackelig gewordene Gebäude den Stürmen trotzen und stehen bleiben? Ich weiß es nicht und kann es momentan nicht einschätzen.

Der Alltag ist so schwer zu bewältigen. Einfache Tätigkeiten fallen unsagbar schwer. Ich habe das Gefühl, ich bin innerlich um viele Jahre gealtert. Das Leben der Anderen geht weiter, unseres ist aus den Fugen geraten. Eine Neuordnung bzw. -orientierung verlangt Zeit und Geduld. Wenn ich auch so noch keine konkreten Vorstellung von meiner Zukunft habe, so ist eines gewiss, Erik wird bei mir auf eine bestimmte Art präsent bleiben. Er wird weiterhin dazugehören, ich werde ihn nicht „totschweigen“. Er ist und bleibt ein Teil von mir und meine Liebe zu ihm ist allgegenwärtig.

*


Wenn ihr mich sucht,
sucht mich in euren Herzen.
Hab ich dort eine Bleibe gefunden,
bin ich immer bei euch.


R. M. Rilke

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Stand: 09.08.09



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