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Der Unfalltag (Marcel)

Marcel

Die Tage davor

22.8.08

Am Freitag, den 22.8. wollte mein Sohn Marcel, gegen 22.00 Uhr zu seiner Freundin fahren. Er war den ganzen Tag mit seinen Geschwistern zusammen und hat sich liebevoll um sie gekümmert. Er bat mich sein Hemd zu bügeln, da er bei der Geburtstagsfeier der Mutter seiner Freundin Claudia, eingeladen war. Ich lehnte ab, da meine Kleinen schon im Schlafzimmer schliefen, in der sich die Bügelstation befand. Ich schlug ihm vor, dass er es doch bei seiner Freundin noch bügeln könnte. Er lachte und meinte: „Ja, das mache ich.“
Er fragte mich noch, ob er am Sonntag das Auto haben könnte, da er mit seinen Freunden zur Games Convention nach Leipzig fahren wollte. Ich meinte: „Ich überlege es mir noch, wenn ich es nicht brauche, kannst Du es haben.“ Ich war schon sehr müde, die Arbeit war an diesem Tag sehr anstrengend- und legte mich ins Bett. Ich bekam nicht mit, wann er ging.
Da Marcel den Zug 22.15 Uhr verpasste, fuhr er mit dem danach. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sehen durfte und wir haben uns noch nicht einmal verabschiedet.
Meine Tochter Nicole, hat an diesem Abend noch mitbekommen, wie Marcel das Auto genommen hatte und damit unterwegs war. Sie bemerkte, dass er die Papiere unauffällig in die Geldbörse zurück legte.
Dann ging er voller Freude zu seiner Freundin, die er sehr geliebt hat.

23.08.08

Der Samstag verlief vollkommen normal, alles war wie immer. Mein großer Sohn Michael, rief an und wollte mit Marcel sprechen. Ich sagte , er sei nicht da und dass er morgen mit seinen Freunden nach Leipzig fahren wollte.

Hätte ich das nur nicht gesagt!
Welch ein Fehler!
Er meinte, er wolle da auch hin und rief Marcel auf dem Handy an, um alles zu besprechen.
Als Marcel mich dann anrief, war es das letzte Mal, dass ich seine Stimme hören konnte. Er erzählte, dass er mit seinem Bruder fahren würde.
Gedanken habe ich mir dann keine gemacht. Sie feierten Geburtstag und alle mochten Marcel, er wurde sofort von allen ins Herz geschlossen. Sie sahen ihn nur einmal!


Der Unfalltag

24.08.08

8.15 Uhr wurde Marcel von seinem Bruder abgeholt. Sie holten dann noch zusammen die Freunde ab und fuhren dann auf die Autobahn in Richtung Nossen. Als ich um 8.45Uhr aufgestanden bin, fühlte ich mich gar nicht wohl, mein Blutdruck war sehr niedrig und mir war sehr komisch zu Mute. Ich legte mich auf das Sofa und trank einige Tassen Kaffee,
um wieder fit zu werden, aber gebracht hat das nicht viel. Ich konnte mir das alles gar nicht erklären, es war für mich ein Rätsel. Mein damaliger Freund bereitete das Essen zu und die Kleinen machten Mittagsschlaf. Die Kleine, Laura, schlief bei meiner Tochter, außerhalb der Wohnung, in ihrem Zimmer und der Kleine , Marvin, schlief schnell auf dem Sofa ein.
Gegen 15.00 Uhr schreckte ich auf, kurz danach stand die Polizei vor der Tür. Ich dachte mir: „Ach, es kann doch gar nichts sein, es sind doch alle da. Es kann nichts Schlimmes passiert sein.“
Als ich dann die Tür aufmachte, standen zwei Polizisten vor mir, sie hatten Tränen in den Augen! Ich erzählte: „Es sind doch alle da. Es kann gar nichts passiert sein. Und Marcel ist mit seinen Freunden.....“ Ich fing an zu weinen. „Es ist nichts passiert, ja?“

Wir sollten uns setzen und die Kinder wurden raus geschickt. Dann fingen die Polizisten an zu erzählen: „Ihr Sohn ist um 9.00 Uhr auf der Autobahn km 42, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.“ Ich schrie: „Nein! Nein! Das kann nicht sein!“ Ich fragte, was mit meinem anderen Sohn ist. Zuerst wollten sie mir nichts sagen, dann erzählten sie gezwungenermaßen, dass er mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde und der Fahrer des Autos war. In diesem Moment hasste ich ihn. Ich fragte nach Marcels beiden Freunden, doch auch für sie kam jede Hilfe zu spät. Sie waren alle drei auf der Stelle tot und hätten nichts gemerkt. Ich konnte das alles nicht glauben. Wie im Trance rief ich meinen Ex- Mann an und sagte ihm, er solle sofort herkommen, es wäre was Schreckliches passiert! Er kam und einer der Polizisten setzte sich mit ihm in die Küche und klärte ihn auf, was passiert ist. Sie kamen zurück in die Wohnstube und man sah ihm nicht an, was er gerade erfahren hatte. Seine einzigen Worte waren: „Jetzt wird mein schlimmster Alptraum wahr!“
Immer wieder murmelte ich, dass es doch gar nicht wahr ist, dass er nicht tot sei. Unter Schock rief ich meine Mutter an und erzählte ihr alles, ich höre sie jetzt noch schreien.
Man besorgte eine Seelsorge und einen Arzt, um mich zu beruhigen. Meine Tochter kam dann auch noch, sie konnte nur noch weinen. Irgendwann kam der Doktor, gab mir etwas zur Beruhigung und irgendwie haben wir dann auch noch die Kinder ins Bett gebracht. Später kam meine Sozialarbeiterin und wir unterhielten uns. Ich dachte an seine Freundin, wir wussten nicht, wie wir ihr bescheid sagen sollten, sie müsste doch irgendwie informiert werden. Um 21.00 Uhr rief mein Sohn aus dem Krankenhaus an und erklärte: „Ich kann verstehen, wenn Du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest!“
Er brauchte mich, dass habe ich sofort gemerkt und ich fuhr noch an diesem Abend mit meiner Sozialarbeiterin nach Freiberg. Auf der Intensivstation war mir furchtbar schlecht. Ich wusste nicht, was mich erwartete und ob es das Richtige ist, was ich tat.
Er lag in seinem Bett, überall waren Maschinen angeschlossen. Er weinte. Zum ersten Mal nannte er mich Mama und weinte. Es tat ihm alles so leid. Er erzählte von den Unfall, an was er sich noch erinnern konnte. Ich fragte nach Claudias Nachnamen und Telefonnummer und sagte ihm, dass sie noch nichts wusste.
Mein Großer war voller Schuldgefühle, er wollte nicht mehr leben, doch ich sagte ihm: „Es war ein Unfall! Er sollte froh sein, dass er heil und lebendig heraus gekommen ist.
Wir schaffen das gemeinsam!“, sagte ich.
Wir fuhren nach Hause, nun musste man auch seine Freundin aufklären. Meine Sozialarbeiterin übernahm das.

Ihren Schrei höre ich immer noch!
Es war schrecklich!

Marcel wollte doch noch bei ihr vorbei schauen, sie hat die ganze Zeit auf ihn gewartet.
Vergeblich hatte sie versucht ihn anzurufen!

Nun wussten alle, das mein geliebter Sohn und seine beiden Freunde nicht mehr am Leben waren.





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